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Steuerrecht kann hart sein. Das musste jüngst eine Steuerpflichtige erfahren: Ihr verstorbener Ehemann hatte ihr das hälftige Eigentum an dem gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus vererbt. Kurze Zeit später musste die Frau aus dem Haus ausziehen – aufgrund einer psychischen Erkrankung, die durch den Tod des Partners mit ausgelöst wurde.

Aus diesem Grund wurde ihr – nach einer Entscheidung des Finanzgerichts Münster (Urteil vom 10. Dezember 2020) – die steuerfreie Übertragung des Eigenheims versagt. Diesem Urteil hat der Bundesfinanzhof widersprochen (Urteil vom 1. Dezember 2021).

Das ist die Voraussetzung für die grundsätzliche Steuerfreiheit

Grundsätzlich ist das Vererben der selbstgenutzten Wohnimmobilie an Ehe- beziehungsweise Lebenspartner:innen erbschaftsteuerfrei. Dies gilt unabhängig von Größe und Wert des Eigenheims.

Allerdings ist Voraussetzung für die Steuerbefreiung, dass die oder der Überlebende die Immobilie nach der Erbschaft mindestens zehn Jahre lang selbst bewohnt. Wenn der/die erbende Ehepartner:in innerhalb dieses Zeitraums das Eigenheim ganz oder teilweise verkauft, vermietet, länger leer stehen lässt oder unentgeltlich jemandem überlässt, entfällt die Steuerbefreiung rückwirkend in voller Höhe.

Allerdings gibt es eine Ausnahme: Wenn der/die erbende Ehepartner:in aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist. Objektiv zwingende Gründe liegen etwa im Fall des Todes oder bei einer Pflegebedürftigkeit vor, die das Führen eines eigenen Haushalts nicht mehr zulässt.

Depression als zwingender Grund?

War die Depression der Frau ein zwingender Grund aus dem Einfamilienhaus auszuziehen? Diese Frage musste das Finanzgericht klären – und verneinte, da die Witwe weiterhin einen eigenen Haushalt an anderer Stelle führte. Ein zwingender Grund ist nach Wertung des Gerichts nur gegeben, wenn überhaupt kein eigener Hausstand mehr geführt werden kann.

Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 1. Dezember 2021 diese sehr enge Beurteilung nicht bestätigt. Nach Auffassung des BFH ist der der/die Erwerber:in eines erbschaftsteuerrechtlich begünstigten Familienheims auch dann aus zwingenden Gründen an dessen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert, wenn die Selbstnutzung objektiv unmöglich oder aus objektiven Gründen unzumutbar ist.

Zweckmäßigkeitserwägungen allein reichen nicht aus. Gesundheitliche Beeinträchtigungen können allerdings zwingende Gründe darstellen, wenn sie dem/der Erwerber:in eine selbstständige Haushaltsführung in dem erworbenen Familienheim unzumutbar machen oder im Falle der weiteren Selbstnutzung des Familienheims eine erhebliche Beeinträchtigung seines/ihres Gesundheits-zustands zu befürchten ist.